Köner Stadt-Anzeiger, 24. November 1992
Auch ein Gespenst ist im RennenIn der Galerie Arting beschäftigen sich Künstler mit dem Thema GentechnikGerade erst hieß es, daß der Weg für ein industrie- und forscherfreundliches Gentechnik-Gesetz weitgehend frei ist und die Gentechnik größeren Spielraum erhält. Unterdessen ist dieses hochwissenschaftliche Terrain den Durchschnittsbürgern ein Buch mit sieben Siegeln und eher Gegenstand diffuser Ängste. Demgemäß widmet sich auch die Kunst dem Thema bislang eher skeptisch. Eine Ausstellung in der Galerie Arting gibt einen exemplarischen Überblick. Jay Koh, der Initiator des Projektes "Genopoly", an dem sich zahlreiche namhafte Künstler beteiligten, will dabei die Kunst als "eine Einstiegsmöglichkeit in die Problematik der Gen- und Reproduktionstechnik" verstanden wissen. Das Foto eines Brautpaars (von E. Eßer) steht in diesem Zusammenhang für die natürliche Berührung der Geschlechter. Ein Triptychon von Bernhard Johannes Blume zeigt dreimal das gleiche Bild: die "Idee" als einen schwarzen Punkt, aus dem prinzipiell alles werden kann. Jürgen Klauke bringt die gentechnologische Idee auf die Formel "Der große Leichtsinn" und veranschaulicht das mit einem Kopf, der sich in Verschlingungen verliert. "Was bleibt vom Menschen unter den Möglichkeiten der Gentechnologie" lautet die Leitfrage. Eine versehrte Kreatur (wie N. Willing und M. Ogawa andeuten). Ein perfektes Monster, das die Unschuld verloren hat (wie Brand/Thom vorstellen). Ein unheimliches Gespenst im angstgeprägten Rattenrennen (so Rosemarie Trockels Vision) oder eine haltlose Krake mit mehreren Gesichtern im Griff nach der verlorenen Sonne (eine Phantasie J. Zimmermanns). Teufel zeigt ZähneDas "Genopoly" ist "ein Spiel, das die Realisten zusammen spielen" (erklärt Walter Dahn), und das den gesamten Erdball überspannt (demonstriert C. Anderson). Die Idee der Reproduzierbarkeit des Menschen bewegt seit langem wissenschaftliche und künstlerische Phantasien, und Faszination und Schrecken fallen in dieser Verführung untrennbar zusammen. Die perfekte Zukunft ist ein Alptraum, in dem der Teufel seine fletschenden Zähne zeigt (demonstriert L. Fromartz). Klaus Staeck bringt ein wiedererwachtes Nationalgefühl mit der Thematik in eine Verbindung, und H. J. Tauchert wiederum sieht darin eine widerliche Schmiererei in einem Reagenzglas, überschattet von der (Geld-)Gier nach neuen Patenten. Weitere Werke zeigen den Beginn einer neuen Eiszeit (P. Pick), die Natur in einer Plastiktüte gefangen (R. Knecht), der Mensch als namenloses Gebiß (J. Geismar) und im Fadenkreuz von Glücksspiel und Planbarkeit (J. Koh). Die Vieldeutigkeit künstlerischer Werke transportiert das grundsätzliche Wissen, daß man stets zu wenig weiß. Im Falle der Gentechnologie spielt das direkt auf die mit ihr verbundenen Risiken, sozialen Konsequenzen und Veränderungen in der Gesellschaft an. Gibt uns die Wissenschaft in ihrer vermeintlichen Unfehlbarkeit nur eine Teilwahrheit, so sucht die Kunst nach der ganzen Wahrheit. J.K. |