Reflexion Tschernobyl

Tschernobyl ist ein Ereignis, das nach Hiroshima und Nagasaki kein vergleichbares Ausmaß kennt. Es geht in meinem Leben als Mensch und als Künstler sicher nie verloren. Da Themen wie Menschheit und Realität höchste Priorität in meiner Arbeit als Künstler haben, war es für mich zwingend, etwas zu Tschernobyl zu machen.

In Eile verlassene Häuser, improvisierte Maßnahmen, um das Leben hier zu rechtfertigen. Das war mein erster Eindruck in diesem kleinen, fast menschenleeren russischen Dorf (Rowkowitschi). In der ehemaligen UdSSR gibt es sicherlich wenig Hoffnung. Als ich dann Jugendliche interviewte, mußte ich mein Vorurteil ein wenig korrigieren. Als die Katastrophe von Tschernobyl passierte, waren Ivan, Lena und Natascha zwischen sechs und acht Jahre alt. Sie hatten nun zehn Jahre Zeit, ihr damals noch unreifes Wissen über das Leben und die Ereignisse zu reflektieren und sich vielleicht ein Bild zurechtzurücken.

Jetzt, nach dem Verlust vieler Freunde und Verwandter durch Tod oder Wegzug aus dem Gebiet, haben sie nach meiner Aufforderung ihre Erinnerungen, erste Eindrücke und Zukunftswünsche erzählt und versucht, die damaligen Geschehnisse für sich neu einzuordnen. Der Gesamteindruck, den ich mitnahm, war eine große Hilflosigkeit gepaart mit Schicksalsergebenheit, hier und da mit einer Prise Hoffnung.

Mit den Müttern in Minsk wurde im Interview wieder eine andere Botschaft deutlich. Es gab dort große Hoffnungslosigkeit, Verlassenheit und auch Bitterkeit. Eine der Mütter forderte sogar auf, sie doch allein ihrem Schicksal zu überlassen. Ich empfand dies als Anklage gegen den voyeuristischen Umgang mit den Betroffenen durch andere - und auch durch die Künstler? Dies hat mich eine Zeitlang betäubt, und ich fühlte mich auch hilflos.

Wie kann ich, selbst Künstler mit geringen Mitteln, noch helfen, Kinder oder Jugendliche zu etwas Besseren zu ermutigen? Mein Konzept war es dann, inspiriert durch den persönlichen Kontakt, in einer Interpretation mit dem roten Schlafsack dieses Schicksal in meiner Arbeit durch Performances und Installationen weiterzugeben und überall auf der Welt zu zeigen.

In einem kleinen Raum im Bremer Ausstellungsbunker Osterholz/Tenever, wo Stromzähler und Wasserzähler angebracht sind, fand ich den geeigneten Platz für eine Installation, die aus geschenkten Handarbeiten von Kindern diverser Orte der kontaminierten Zonen entstanden ist.

Statement
Der utopische Gedanke vom unbegrenzten Reichtum, orientiert an einer Verherrlichung der Technik, ohne Rücksicht auf Mensch und Natur, führt zur Vernichtung ihrer Kultur und zum Leiden der Unschuldigen (Kinder).
Das ist der größte Terrorismus dieses Zeitalters.

Kuratorin: Insa Winkler